Kind entdeckt Welt

Ich träume davon, dass wir schon die Kleinsten als vollwertige Menschen wahrnehmen, die sich ausdrücken möchten.

, ,

Wie Babyzeichensprache unsere Kleinsten im Gottesdienst integriert und ihre Entwicklung stärkt

Ich beobachte, wie meine zweijährige Tochter mutig nach vorn geht. Es ist Zeit für den Kindermoment im Gottesdienst. Sie freut sich jedes Mal darauf, doch nach kurzer Zeit schwindet ihr Interesse, und sie begibt sich auf Entdeckungstour. Während die älteren Kinder der Geschichte gespannt lauschen, turnt sie neugierig mit Gleichaltrigen umher. Eine vertraute Situation, die viele Eltern kennen.

Szenenwechsel: Vor mir sitzen fast 20 Kinder im Alter von 0 bis 2 Jahren, begleitet von ihren Bezugspersonen. Sie sind zu den ‹Bücher-Minis› gekommen – einer halbstündigen Veranstaltung mit Liedern, Entdeckermomenten und Babyzeichensprache. Während ich die Geschichte erzähle, folgen die Kinder aufmerksam meinen Worten und Gesten. Ihre Augen leuchten, sie sind ganz bei der Sache.

Warum gelingt hier, was im Gottesdienst so oft scheitert? Es liegt nicht allein an der Geschichte oder ihrer Gestaltung. Vielmehr machen zwei Aspekte den Unterschied: Augenhöhe und Gebärden.

Augenhöhe schafft Verbindung
Kinder wollen ernst genommen werden. Wenn die erzählende Person sich auf ihre Augenhöhe begibt, fühlen sie sich angesprochen und wahrgenommen. Sie spüren: „Jetzt geht es um mich.“ Diese Haltung – buchstäblich und im übertragenen Sinne – schafft Nähe und Vertrauen. Es zeigt den Kindern, dass sie wertvolle und aktive Teilnehmer sind.
Doch was meine ich mit Gebärden? Ab dem sechsten Lebensmonat sind Babys kognitiv und motorisch in der Lage, gezielte Handbewegungen zu verstehen und selbst zu nutzen. Babyzeichensprache, eine auf offizieller Gebärdensprache basierende Methode, unterstützt die verbale Kommunikation durch einfache, Wortbegleitende Zeichen.

Mit den Händen zu sprechen, ist intuitiv und universell. Weltweit gibt es eigenständige Gebärdensprachen, die auf der natürlichen Ausdrucksfähigkeit von Gesten basieren. Auch Babys greifen früh darauf zurück – beispielsweise, wenn sie mit ausgestreckten Armen „hoch“ signalisieren.

Babyzeichensprache im Alltag
In unserem Familienalltag hat die Einführung der Babyzeichensprache viel verändert. Ich war erstaunt, wie viel meine Tochter schon fühlte, wahrnimmt und sich ausdrücken möchte. Durch einfache Gebärden zeigt sie mir, ob sie hungrig, müde oder neugierig ist. Es ist ein Fenster in ihre Welt – und es erleichtert uns das gegenseitige Verständnis ungemein.

Auch im Gemeindeleben sehe ich grosses Potenzial. Babyzeichensprache ermöglicht, mit den Kleinsten auf Augenhöhe zu kommunizieren und sie aktiv in den Gottesdienst einzubeziehen. Wiederholte Gebärden können Schlüsselbegriffe aus der Kindergeschichte betonen und bildhaft im Gedächtnis verankern.
Da war der kleine Junge, der sich zunächst schüchtern an Papas Bein klammerte. Durch Gebärden wurde er neugierig und begann, die Bewegungen mit seinen Händen zu spiegeln. Obwohl er während der gesamten Zeit kein Wort sagte, nahm er aktiv teil. Gebärden bieten auch Kindern mit höherem Bewegungsdrang eine Möglichkeit, sich auszudrücken und Teil des Geschehens zu sein.

Babyzeichensprache hilft zudem Kindern aus multilingualen Familien, Sprachbarrieren zu überwinden. Wenn die Lautsprache bisher nicht vollständig entwickelt ist, ermöglichen Gesten, dass sie trotzdem verstanden werden und sich mitteilen können. Das schafft Zugehörigkeit und stärkt ihr Selbstbewusstsein.

Eine Vision für das Gemeindeleben
Ich träume davon, dass wir schon die Kleinsten als vollwertige Menschen wahrnehmen, die sich ausdrücken möchten. Es liegt an uns, ihnen eine Stimme zu geben. Babyzeichensprache eröffnet einen Weg, um Kindern mit Respekt, Empathie und auf Augenhöhe zu begegnen.

Marijtje Kürbiß